Erstveröffentlichung in der GFK-Zeitschrift „Empathischen Zeit“ 04/2021 „Unter Giraffen“
Was das Empathie-Geben bewirkt, hat mich von Anfang an an der GFK fasziniert. Ich wollte das auch können! Also habe ich versucht, die richtigen Gefühle und Bedürfnisse zu benennen. Aber die Erkenntnis, dass Empathie-Geben mehr ist als Worte, hat ein bisschen länger gebraucht.
Heute als GFK-Trainerin finde ich es immer noch schade, dass es so lange dauert, die empathische Haltung zu lernen. Also frage ich mich immer wieder: Wie kann ich Empathie am besten vermitteln?
Am liebsten würde ich ein GFK-Coaching (genannt Anliegenarbeit) filmen und diese dann zu Übungszwecken verwenden. Das Übungssetting sollte so aussehen: Die lernende Person schaut sich den Film an und stoppt, wenn sie meint, etwas Wichtiges gehört zu haben. Dann hat sie Zeit, nach Gefühlen und Bedürfnissen zu suchen. Eigentlich eine gute Idee, aber finde mal jemand, der den Streit mit der Ehefrau vor der Kamera erzählt!
Ich suche also nach Alternativen und komme auf Spielfilme. Aber beim Anschauen stelle ich fest, dass Schauspieler nicht authentisch von sich erzählen. Mir wird klar, dass ein Filmdialog der Story dient, nicht dem Selbstausdruck. Wenn du dir das nicht vorstellen kannst, dann versuche einmal einer Filmfigur Empathie zu geben.
Als nächstes suche ich persönliche Geschichten auf YouTube und finde mehrere wie diese. „Wie ich meinen Mann und meine Kinder bei einem Autounfall verlor“. Das müsste doch funktionieren. Tut es aber nicht. Die Menschen erzählen, und ich kann sie nicht spüren. Ich bin richtig schockiert, wie wenig sie mit sich selbst verbunden sind. Ich stelle mir Fragen über die Motivation einer solchen Selbstoffenbarung. Heute kann ich mir vorstellen, dass es etwas mit der Kamera zu tun hat. Aber für diese Idee muss ich mich erst einmal selbst aufnehmen. Dazu brauche ich ein Thema.
Eines Abends komme ich aufgebracht von einer Teambesprechung. Das ist die Gelegenheit, mein Anliegen aufzunehmen. Während ich die Handykamera auf das Stativ setze, lässt das Gefühl nach. Die Aufnahme läuft.
-Ähhh… Was soll ich sagen? Meine Arbeitsgruppe ist nicht gut gelaufen…
Ich suche nach Worten, ich stocke. Sonst erzähle ich flüssiger von meinen Themen. Aber der Gedanke, was potentielle Zuschauer oder noch schlimmer Teilnehmer von mir halten könnten, lässt mich nicht los. Ich starre auf die Kamera meines Handys. Zum Glück summt sie nicht. Ich zwinge mich trotzdem zu reden, aber es bleibt unangenehm. Mein Mut, andere darum zu bitten, schwindet gänzlich.
Ein paar Wochen später habe ich eine neue Idee. Wenn es nicht live geht, warum nicht aus der Erinnerung? Ich könnte meine geschätzten GFK-Kolleg:innen interviewen? Ich wollte schon immer wissen, was in deren Kopf oder Gefühl vor sich geht, wenn sie empathisch zuhören.
Die Aussicht motiviert mich. Wahllos notiere ich alle Fragen, die mich interessieren. Wie machst du das? Wie findest du die richtigen Bedürfnisse? Wie schätzt du dich selbst ein, findest du, dass du Empathie-Geben kannst? Diese Frage steht unter anderem deshalb auf meiner Liste, weil mir langsam dämmert, dass meine liebsten Empathie-Geber:innen vielleicht gar nicht so überzeugt von sich sind, wie ich von ihnen.
Aber bevor ich sie einlade, will ich das Ganze im Selbstversuch noch einmal testen. Ich setze mich wieder vor die Kamera.
Die erste Frage: Kann ich Empathie?
Ich fange an zu reden. Mittlerweile bin ich routinierter. Aber die Frage schlägt mir auf die Stimmung. Das Urteil „Du kannst es immer noch nicht!“ ist wieder da. Ich merke schnell, das bringt nichts. Mir nicht und anderen auch nicht. Ich brauche Fragen, die mich und später meine Interviewpartner mit ihrem Selbstwert verbinden. Ich will doch etwas über ihre Kompetenz hören. Es kristallisieren sich zwei Fragen heraus. Erzähle mir eine geglückte Empathie-Erfahrung und was hast du gemacht?
Es ist der Tag der ersten Filmaufnahme. Meine erste Interviewpartnerin macht es sich auf meinem roten Sofa bequem. Ich schätze sie sehr und bin froh, dass sie sich als mein Versuchskaninchen zur Verfügung stellt. Aber vorher muss ich mich noch um die Technik kümmern. Hat das Licht die richtige Farbe? Sitzt das Mikro? Behindert das Kabel ihre Hände? Ach, und wo ist der Zettel mit meinen Fragen? Egal, zum Glück habe ich sie grob im Kopf.
Ich nehme ihr gegenüber Platz. Mein Blick schweift umgehend zum Handybildschirm. Ich muss mich richtig auf sie konzentrieren. Worum geht es? Ach ja, Empathie. Ich will doch einen vertrauensvollen Rahmen schaffen. Aber mein Kopf denkt nur an Technik, und mein Innenleben ist wie weggepustet.
Irgendwie schaffe ich es. Film läuft, Ton an, Test, Test.
-Herzlich willkommen, ich freue mich sehr, dass du da bist…
Und wir finden trotz meiner Aufregung in das Thema. Sie erzählt ihr erstes Beispiel. Ich stelle Fragen zu den Hintergründen. Bereitwillig antwortet sie. An irgendeinem Punkt bin ich tief berührt. Ich habe Tränen in den Augen. Ich fühle mich geehrt, dass sie mir das erzählt.
Hinterher bin ich glücklich. Ich darf noch mehr solcher Interviews führen. Ist das nicht großartig!
Meine Begeisterung hält an und es folgen 14 Interviews. Dann beginnt die eigentliche Arbeit. Neun Monate sitze ich an Filmschnitt und Konzeption. Wer hätte gedacht, dass das so viel Arbeit ist? Aber ich will, dass mehr Menschen das sehen können.
Und heute darf ich sagen, die Dokumentation „Empathie – Spüren, was wichtig ist“ ist fertig:
-Proudly presented by Regine Landwehr
Trailer 1 „Empathie im Alltag“
https://www.youtube.com/watch?v=rYBAqzBTxLY
Trailer 2 „Empathie im Beruf“
https://www.youtube.com/watch?v=fLH90vIUw9k
Neugierig geworden?
Schau selbst!